Ein Markt mit
Zukunft
Nachhaltige
Entwicklung von unten auch in der Schweiz? Der Markt in Biel brachte viele
ermutigende Initiativen zusammen.
Über sechzig
Initiativen, Basisgruppen, Institutionen und Kleinunternehmen nutzten
die Gelegenheit, im Rahmen von «agir '96» vom 22. bis 24. November
1996 im grossen Saal des Volkshauses in Biel ihre Initiativen, Projekte,
Angebote und Produkte vorzustellen. Daneben beteiligten sie sich aktiv
am intensiven Gedanken- und Erfahrungsaustausch in und um die Workshops
und Gesprächsrunden des Markt- und des Zukunftstages.
Buntes Markttreiben
war angesagt. In der Markthalle von «agir '96», so schilderte
es die Veranstaltungsbroschüre, sollte eine Momentaufnahme nachhaltiger
Projekte und Produkte von Initiativgruppen, Institutionen und Unternehmen
aus der ganzen Schweiz entstehen. Ein Ort, um Erfahrungen auszutauschen,
ein Ort für die Öffentlichkeit, ein Ort zum Erleben auch für
«passive» MarktbesucherInnen.
Bereits am Donnerstagabend
hatten zehn Basisgruppen aus der Region Biel ihre Informationsstände
aufgebaut. Insbesondere eine schwungvolle Rutenkonstruktion von Dieter
Jenzer bildete zusammen mit den Ständen der anderen Gruppen und denjenigen
der Veranstalter, SGU und SWISSAID, einen ergänzenden, praktischen
Hintergrund zur Publikumstagung vom Freitag. Das Informationsangebot wurde
von den Tagungsteilnehmerlnnen rege genutzt.
In der Nacht auf
Samstag wurden dann zahlreiche Hände aktiv, um die restliche Infrastruktur
für den Markt zu erstellen. Unter anderem wurden eine Nach-Bar mit
Getränken und Bioprodukten aus der Region Biel oder aus fairem Handel
und eine Spielecke für Kinder eingerichtet.
Am Samstagmorgen
entfaltete das Angebot seine volle Wirkung. Alle Präsentationsflächen
waren belegt, der Markt bis zum letzten Platz besetzt. Der Saal war erfüllt
vom Summen zahlreicher Gespräche, und immer wieder nutzten kleine
Gruppen die Gelegenheit, sich zu einen vertieften Austausch an ein rundes
Tischchen der Nach-Bar zu setzen, in der Hand einen Max Havelaar-Kaffee
oder einen frisch gepressten Apfelsaft aus dem Berner Seeland. Wem ein
Bio-Sandwich nicht genügte, um den Magen zu füllen; der fand
am Stand der Yamagishi Genossenschaft eine leckere und reiche Auswahl.
Politische Projekte wie der Zukunftsrat (die Einführung eines ethischen
Rates als dritte parlamentarische Kammer) oder die Energie- und Solarinitiative
waren genauso vertreten wie zum Beispiel ein Elektro-Fahrrad-Hersteller
als Produzent oder das «Centro ecologico Uomo natura» als Bildungsstätte.
In vielfältiger
Durchmischung fanden die verschiedensten Ebenen und Fachbereiche des Handelns
zusammen und zeigten dadurch eindrücklich auf, wie anspruchsvoll
und zwingend interdisziplinär nachhaltige Entwicklung ist und wie
erfrischend vielseitig sie gleichzeitig sein kann.
Der grosse Ansturm
der lokalen Bevölkerung blieb zwar aus, doch zeigten sich immer wieder
Gesichter interessierter Bieler und Bielerinnen, und hier und dort begann
sich eine neue Bekanntschaft zu entwickeln. Um so intensiver schien der
interne Austausch zu sein, so intensiv, dass die abwechslungsreichen,
manchmal besinnlichen, manchmal witzigen Präsentationen auf der Bühne
oft Mühe hatten, zum Publikum durchzudringen. Dennoch professionell
moderiert wurden diese Bühnenauftritte vom Basler Liedermacher Aernschd
Born, der mit seinem eigenen Auftritt am Samstagabend dem ersten Markttag
zu einem zusammmenführenden und stimmungsvollen Abschluss verhalf.
Vertieft wurde
dieser Erfahrungs- und Meinungsaustausch anhand konkreter Themen in den
sehr gut besuchten Workshops vom Samstag und den Diskussionskreisen vom
Sonntag. Damit hatten diese ihren Hauptzweck erfüllt: Sie hatten
engagierte Menschen mit dem gleichen Hauptanliegen, aber sehr unterschiedlichen
Vorgehen aus der, ganzen Schweiz zusammengeführt und einen gedanklichen
Entwicklungsprozess ausgelöst. Obwohl daraus (noch) keine gemeinsamen
Handlungsperspektiven entwickelt werden konnten, nehme ich an, dass die
meisten, so wie ich, diese (Arten-)Vielfalt als Stärke einer nachhaltigen
Entwicklung erlebt haben und aus zahlreichen kreativen Begegnungen neue
Ideen und Gedanken für ihr Handeln mit nach Hause nehmen konnten.
Ich freue mich darauf, hoffentlich schon bald ersten Ergebnissen und konkreten
Handlungen zu begegnen, die durch diesen Austausch positiv beeinflusst
wurden.
Bericht
von Lukas Weiss in: SGU Bulletin 1/97. S. 24-25